Jugendbewegung und Abwehr des Rechtsextremismus

Fünf Thesen zur Diskussion

1) Dem Mainstream der heute aktiven Bünde der Jugendbewegung sind rechtsextreme Tendenzen fremd – dies ist in den letzten 20 Jahren immer wieder klar manifestiert worden. Insoweit die Bünde Teil der Gesellschaft sind, finden sich aber auch in ihnen rechtsextreme Tendenzen, sowohl auf der Ebene der Einstellungen als auch des politischen Verhaltens. Einerseits nähern sich Einzelpersonen, Fahrtengruppen oder Bünde aus der Jugendbewegung heraus dem Rechtsextremismus an. Andererseits greifen Organisationen, Medien und Jugendverbände des organisierten Rechtsextremismus („nationale Opposition“)  Elemente der Jugendbewegung auf, weil sie davon fasziniert sind oder weil sie sich damit tarnen wollen. Solche Tendenzen sollten nicht einfach toleriert, sondern konfrontiert werden. Gegenüber Gruppen, die rechtsextreme politische Ziele erkennen lassen, gilt das Gebot der Abgrenzung und Ausgrenzung.

2) Es ist die Verantwortung der Jugendbünde, sich zu fragen, welche Charakteristika sie für Rechtsextreme attraktiv machen. Wie jede Jugend-Subkultur ist auch die Jugendbewegung ambivalent. In ihrem Traditionsbestand transportiert sie eine Reihe höchst fragwürdiger Elemente – zum Beispiel in ihren Liederbüchern. Besonders problematisch bleibt der Bezug auf das „klassische“ Bündische Jahrzehnt 1923-1933, als die Bünde der Deutschen Jugendbewegung in den Blickwinkel von Wehrertüchtigung und radikalnationalistischer Mobilisierung gerieten und von deren Trägern instrumentalisiert wurde

3) Die erfolgreiche Abwehr rechtsextremer Tendenzen beruht auf einer Reihe von Prinzipien, die praktisch erprobt sind, insbesondere: Benennen des Problems; Formulierung eines Konsenses, der den Unterschied zum Rechtsextremismus herausarbeitet; klare Grenzsetzungen; Öffentlichkeit; Abgrenzung auf allen Ebenen. Im Zweifel sollte professionelle Beratung gesucht werden.

4) Diese Abwehr rechtsextremer Tendenzen ist nicht in erster Linie ein Gebot der Moral oder politischen Korrektheit. Sie geschieht aus dem Eigeninteresse der Jugendbewegung heraus. Radikalnationalistische politische Ausrichtung, das Ziel rechtsextremer Jugendverbände, würde die lebendige Kultur der Bünde mittelfristig zerstöre.

5) Die Formulierung des eigenen Selbstverständnisses hilft bei der Abgrenzung. Sie sollte aus den eigenen Traditionen und Ressourcen heraus geschehen. Das zentrale Anliegen der Deutschen Jugendbewegung war die Erringung von Räumen jugendlicher Autonomie jenseits von Familie, Staat, Schule, Kirchen, Parteien und Verbänden, den Organen der Jugendpflege und kommerziellen Freizeitangeboten. Dieses Anliegen zieht sich vom Urwandervogel über den Meißnertag 1913, die autonomen Jungenschaften der 1930er, die Bündische Illegalität der NS-Zeit und die Neuanfänge der Nachkriegszeit bis zu den Waldeck-Festivals und der Fahrtenkultur der Gegenwart. In dieser Hinsicht steht die Jugendbewegung den politischen Anliegen der völkischen und radikalnationalistischen Kräfte diametral gegenüber.

Gideon Botsch,
Burg Balduinstein im Januar 2010

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